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Laserklasse 3 und 4 ? Was ist der Unterschied?

19.01.2015

Dieses Editorial stellt die Frage: Welche Laserklasse eigent sich am besten für die PBM? Gibt es Unterschiede bzgl. Effektivität und Sicherheit?

ZUR ERINNERUNG
Low Level Lasertherapie bedeutet Lichttherapie mit k a l t e m, niederenergetischem und kohärentem Licht. Dieses Licht ist sicher, weil es das Gewebe nicht erwärmt. Deshalb die Laserklasse 3B! Das Licht wird hier im Milliwatt-Bereich (bis max. 500 mW) verabreicht.
Der Begriff Low Level Lasertherapie ist aber nicht geschützt. Niederenergetisch im Vergleich zu chirurgischen Lasern mit sehr hohen Leistungen sind auch einige Klasse 4-Laser. Sie arbeiten im Watt-Bereich bis zu 30 Watt und ihr Licht ist w a r m. Sie gehören deshalb zur Laserklasse 4, weil sie Gewebe erwärmen und gefährlich sein können. Thermische Effekte und Hautverbrennungen können bereits nach wenigen Sekunden auftreten. Hersteller von Klasse 4-Lasern behaupten: ?Stärker ist besser. Gefahren kann man durch bestimmte Anwendungstechniken ausschließen".

UM ES VORWEGZUNEHMEN
Wir behaupten nicht, dass Klasse 4-Laser keine therapeutischen Effekte haben! Sie können bei bestimmten orthopädischen Indikationen und mit einer angemessenen Anwendungstechnik durchaus positive Resultate generieren. Die entscheidende Frage ist aber: Brauchen wir sie? Sind diese Effekte stärker als bei klassischen Low-Level-Lasern, sodass wir die Gefahren, die mit Klasse 4-Lasern verbunden sind, in Kauf nehmen sollten? Erweitern sie das Anwendungsspektrum, bringen sie einen wirklichen Vorteil?
Unsere Antwort ist: Nein. Das Gegenteil ist der Fall. 

LASSEN SIE UNS LASER DER KLASSE 3B UND 4 VERGLEICHEN
Im Folgenden vergleichen wir beide Laserklassen bzgl. ihrer Evidenz, ihrer Sicherheit und ihrer Effektivität. Außerdem kommentieren wir die Claims, die von Klasse 4-Herstellern gemacht werden.

1. EVIDENZ
99% der Forschung zur LLLT der letzten 40 Jahre ist mit Lasern der Klasse 3B durchgeführt worden. Es gibt über 300 RCTs und über 3500 wissenschaftliche Studien zur Effektivität von 3B-Lasern.
Hersteller von Klasse 4-Lasern verwenden die Evidenz von 3B-Lasern, um ihre Produkte zu promoten. Es gibt kaum Studien zur Effektivität von Klasse 4-Lasern.

2. SICHERHEIT
3B-Laser sind ungefährlich und sicher. Auch wenn einzelne Hersteller das Gegenteil behaupten, sind Laser der Klasse 4 keineswegs ungefährlich. Sie können bei unsachgemäßer Anwendung schnell zu Hautverbrennungen führen. Vor allem in der Tiermedizin, in der Klasse 4-Laser verbreiteter sind, kommt es immer wieder zu Zwischenfällen.
Wir haben die Erwärmung des Gewebes durch einen Klasse 4-Laser mittels eines Stück Fleisch (Steak) getestet.

> Bestrahlung eines Steaks mit einem Klasse 4-Laser
> Temperature comparison class3 ? class 4

Abhängig vom Anwendungsort und -zweck fallen die potentiellen Gefahren von Klasse 4-Lasern stärker oder schwächer ins Gewicht. Bei vielen Anwendungen ist auch bei ?sachgerechter" Handhabung von einer Anwendung abzuraten. Dazu gehören z. B. Anwendungen im Augen- und Gesichtsbereich, am Ohr, bei Schleimhäuten, bei offenen Wunden, zur Nervenregeneration, bei dermatologischen Indikationen und solchen, bei denen Entzündungen beteiligt sind.

3. EFFEKTIITÄT
These 1: Mehr Leistung = bessere Gewebedurchdringung = effektiver

1. Falsch!, denn:
Die Wirkmechnismen bei der LLLT sind biomodulatorischer Natur und hängen damit primär von der Wellenlänge ab!
Biomodulatorische Effekte hängen primär von der eingesetzten Wellenlänge und deren Absorptionskoeffizienten ab. Denn LLLT soll ja die Biochemie der Zelle beeinflussen. Verschiedene Wellenlängen haben verschiedene mittlere Durchdringungstiefen durch die Haut von etwa 0,3 bis 2 mm, wodurch sich bereits in einer Gewebetiefe von 6 mmm Intensitätsunterschiede zwischen 0,000 001 bzw. 0,125 mm ergeben. Das ist ein Faktor von 125 000. Der Einfluss der eingesetzten Leistung ist im Unterschied dazu marginal (z. B. 10 000 bei einem Leistungsunterschied von 5 mW respektive 5 W)!
Aufgrund der Maßgeblichkeit der Wellenlänge ist es deshalb auch z. B. so, dass ein Klasse 4-Laser mit einer Wellenlänge zwischen 940 und 980 nm die Haut weniger durchdringen kann wie ein 3B-Laser mit einer Wellenlänge zwischen 800 und 900 nm.
2. Falsch!, denn:
Die Tiefenwirkung im Gewebe basiert bei der LLLT primär auf Amplifikationseffekten!
Die Tiefenwirkung der LLLT basiert auf den ?patient´s internal amplification effects" (PASER nach Mary Dason), welche durch LLLT getriggert werden. LLLT benötigt keine sehr hohen Stimuli, da die Primäreffekte in der Zelle mit geringen Dosierungen ausgelöst werden und hohe Dosen inhibierend wirken. Die Wirkverstärkung und ?weiterleitung geschieht über Potenzierungsseffekte entlang der Stoffwechselpfade im Down-Stream und den interzellulären Kommunikationswegen. Genau aus diesem Grund ist LLLT ja so effektiv. Kurz gesagt: Die Tiefenwirkung ist bei der klassischen LLLT mit 3B-Lasern ja bereits da, genau das ist ja LLLT!

These 2: Klasse 4-These: Mehr hilft mehr!
1. Falsch! denn:
Hormese ist ein Charakteristikum biologischer Systeme (Arndt-Schulz-Gesetz).
Seit Bestehen der Lasertherapie werden Anwender auf das sog. Arndt-Schulz-Gesetz verwiesen, welches besagt, dass schwache Stimuli physiologische Prozesse fördern, während starke Stimuli diese blockieren. Die klinische Erfahrung bestätigt dieses Gesetz seit Jahrzehnten und ist z. B. für die Behandlung offener Wunden gut dokumentiert.
Dennoch hat das Argument: Mit Mehr gehts besser! auch heute noch gute Chancen, zu überzeugen. Unter anderem als Begegnung auf diese unverwüstliche und vor allem durch Marketingstrategen genährte Vorstellung hat die University of Massachusetts bereits 2005 eine eigene Gesellschaft gegründet: die International Dose-Response-Society (siehe auch: www.dose-response.org). Sie dient der Förderung des Verständnisses von Low-Level-Effekten und dem damit verbundenen Phänomen, dass niedrige Dosierungen stimulieren, während hohe Dosen inhibieren. Die Erforschung biologischer Dosis-Effekt-Beziehungen über den gesamten Range von der Förderung bis zur Zerstörung hat für viele Wissenschaften große Implikationen. Dazu gehören medizinische Disziplinen wie u. a. die Toxikologie, Pharmazie, Neurowissenschaft, Immunologie, Physiologie und Strahlenbiologie.
Der Forschungsgegenstand heißt Hormese, kommt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie ?in Bewegung setzen/ antriggern". Hormese bezeichnet die positive Reaktion biologischer Systeme auf eine Exposition mit sehr niedrigen Stimuli (wie etwa Toxinen oder anderen Stressoren). Diese werden auch als ?Eustress" bezeichnet. Die Förderung durch kleine Dosen und die Inhibition durch große Dosen kann in Form einer umgedrehten U-förmigen Kurve veranschaulicht werden. Ihre Form gleicht dem des therapeutischen Dosisfensters für die LLLT, welches auf klinischen Erfahrung zum Übergang zwischen stimulierenden und kumulativen negativen Effekten durch niedrige Dosen (mW-Bereich) respektive hohen Dosen (W-Bereich) gründet.
2. Falsch!, denn:
Eine Überdosierung bewirkt bei der LLLT negative Effekte.
In zahllosen Studien wird auf die Inhibierung der zellulären Stoffwechselmechanismen hingewiesen, die zu hohe Strahlendosen bewirken. Inhibitorische Effekte werden seit Bestehen der Lasertherapie vor allem einer falschen Anwendung durch Überdosierung zugeschrieben.
Denn der entscheidende Impaktfaktor ist bei der LLLT nicht die Strahlungsdosis, sondern die Wellenlänge, von der eine Beeinflussung des zellulären Stoffwechsels fast ausschließlich abhängt. Diese ist mit der richtigen Wellenlänge bereits durch minimale Dosen von 0,1 Joule zu erreichen. Die Stimulation ist nicht bis ultimo steigerbar ? ein physiologisches System kann mit maximaler Reibungslosigkeit arbeiten, aber nicht mehr. Die physiologischen Grenzen haben einen Sinn und sie zu übertreten und herauszufordern, kann großen Schaden anrichten.
Daher: Es gibt keine Evidenz für die Behauptung, dass in der LLLT mehr Leistung mehr Effektivität bedeutet! Die Evidenz existiert für das direkte Gegenteil!

Dazu ein Beispiel:
Für einen systematischer Review und eine Metaanalyse aus dem Jahr 2010 zur Effektivität der LLLT bei der Behandlung von Tendinopathien (Tumilty et al. ? http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19708800) erfüllten 25 RCTs die Einschlusskriterien. Von diesen 25 Studien kamen 12 zu positiven und 13 zu negativen Ergebnissen. Die Forscher konnten nachweisen, dass die positiven Ergebnisse mit der Einhaltung des therapeutischen Dosisfensters (also mit den für die LLLT empfohlenen Dosierungsempfehlungen) assoziiert, während die negativen Studien auf eine Überdosierung zurückzuführen sind.
Führende Experten in der Erforschung der Dosis-Effekt-Beziehung bei der LLLT und die gründlichsten Kenner der LLLT-Literatur wie etwa James Caroll oder Jan Tunér beschäftigen sich seit Jahren unermüdlich mit der Frage: Wieviel Laser ist genug? Und wieviel ist Zuviel? Wie sind negative Studienergebnisse entstanden? Und sie werden nicht müde, immer neu zu wiederholen:
Ja! Es gibt ein Dosisfenster bei der LLLT und seine Beherzigung ist entscheidend für ihre Zukunft und ihre Akzeptanz!

3. Falsch!, denn:
Thermische Effekte sind keine primären Effekte der LLLT

Es gibt Studien, die demonstrieren, dass Änderungen im Redoxzustand der Zelle auch durch photothermische (im Gegensatz zu photobiomodulatorischen) Effekte getriggert werden können, was zum Teil Therapieeffekte von Klasse 4-Lasern erklären könnte. Danach würden 3B-Laser photobiomodulatorische Prozesse triggern und Laser der Klasse 4 photothermische Effekte. Dabei ist im letzten Fall aber der Übergang zwischen positiven Effekten, die über förderliche thermische Mechanismen in der Zelle induziert werden und inhibierenden Effekten, die durch eine Überhitzung entstehen, vollkommen unbestimmbar. Dieser Umkipppunkt hängt im individuellen Fall von so vielen Parametern (wie z. B. vom Typ, Tonus und physiologischem Alter = Stresselastizität des Gewebes) ab, dass es schwer vorstellbar ist, wie dieser gezielt kalkuliert werden sollte.
Dagegen generieren photobiomodulatorische Effekte nur minimale thermische Effekte aufgrund der zellulären Stoffwechselbelebung und innerhalb des natürlichen physiologischen Spielraums.

4. SICHERE DOSIERUNG

Hersteller von Klasse 4-Lasern behaupten, dass Gefahren durch Überdosierung und Hautverbrennungen ausgeschlossen sind, weil

  • der Laserstrahl aufgeweitet (also nicht fokussiert ist) und aus Entfernung appliziert wird (das ist mit hohem Intensitätsverlust verbunden) und weil
  • der Laserstrahl kontinuierlich bewegt wird, sodass auch damit keine zu hohe Intensität an einem Ort entstehen kann.

Das ist theoretisch richtig: Ein Klasse 4-Laser soll so gehandhabt werden, dass ein Laser der Klasse 3 rauskommt. Durch die große Strahlaufweitung, die Behandlung aus Entfernung und die ständige Bewegung des Lasers sollen die Klasse 4-Gefahren neutralisiert werden, die angeblichen Vorteile durch die höhere Leistung (besonders eine höhere Gewebedurchdringung) aber erhalten bleiben. Wie soll das möglich sein?
Einerseits soll die höhere Leistung effektiver sein (was, wie wir gesehen haben, bereits grundsätzlich nicht stimmt), andererseits wird sie bei der geforderten Handhabung von Anfang an neutralisiert, um Gefahren zu vermeiden. Auf gut deutsch: die ?eierlegende Wollmilchsau".
Tatsächlich ist es so, dass bei gewissenhafter Anwendung ein Klasse 4-Laser im besten Fall die gleichen Ergebnisse wie bei Lasern der Klasse 3B zu erwarten sind.
Gewissenhafte Anwendung bedeutet: Man weiß exakt, in welchem Abstand, mit welcher Fokusaufweitung und mit welcher Bewegungstechnik und -geschwindigkeit vorzugehen ist, um im für die LLLT effektiven Dosisfenster zu bleiben und damit weder über- noch unter zu dosieren. Die Unterdosierung ist nach dieser Methode nämlich auch keineswegs ausgeschlossen: Durch die Strahlaufweitung und -entfernung wird die Strahlendichte in so hohen Maß verringert, dass es fraglich ist, ob überhaupt die gleichen Energiedichten im Gewebe wie bei 3B-Lasern erreicht werden.
Angenommen, alle Angleichungsmaßnahmen bei Klasse 4-Lasern wären so präzise bestimmbar, dass ein 3B-Laser simuliert werden kann, müssten diese Einstellungen zumindest fest justiert sein. Das wäre mit Hilfe von arretierten Scannern möglich, bei denen die wirksame Führungsgeschwindigkeit und der effektive Abstand zum Gewebe gewährleistet sind. Eine Handführung des Lasers kann dies nicht leisten.

LASERKLASSE KLASSE 3B KLASSE 4
Evidenz sehr hoch kaum vorhanden
Achtung: die Evienz aus der PBM-Literatur wurde maßgeblich mit 3B-Lasern generiert.
Sicherheit sehr hoch Gefahr durch Hautverbrennungen

Effektivität

  • Penetrationstiefe
  • Dosis
  • Strahlendurchdringung:
    Vergleichbar bei gleicher Wellenlänge, da die Tiefenwirkung der LLLT im Gewebe primär von der Wellenlänge und nicht von der Leistung abhängt.
  • Tiefen-Effektivität:
    Die Tiefenwirkung im Gewebe hängt von körpereigenen Amplifikationseffekten ab
  • Einhaltung des Dosisfensters führt zu positiven Ergebnissen
  • Strahlendurchdringung:
    Null Evidenz in der gesamten Literatur, dass Laserlicht der Klasse 4 tiefer ins Gewebe dringt
  • Tiefen-Effektivität:
    In tieferen Gewebeschichten evtl. gleich effektiv, dabei im Verlauf dorthin Gefahr der Überdosierung
  • Überdosierungen und Unterdosierungen sind kaum kalkulierbar
Kosteneffizienz
Die bei der Laser- Klasse 4 verwenden Lichtleiter sind deutlich teurer als bei Lasern der Klasse 3 und brechen gerne.

 

FAZIT

  • Klasse 4-Laser sind keine Laser zur LLLT in dem Sinn, in der diese Bezeichnung seit 50 Jahren in Wissenschaft und Praxis verwendet wird.
  • Klasse 4-Laser sind potentiell gefährlich, ohne dabei Vorteile bei der Durchdringungstiefe im Gewebe, noch bei der Tiefen-Effektivität zu bringen.
  • Klasse 4-Laser können evtl. bei orthopädischen Erkrankungen in bestimmten Fällen vergleichbare Resultate erzielen. Die Ergebnisse sind aber schlecht kalkulierbar und damit auch die gegenteiligen Effekte durch eine Über- oder auch Unterdosierung.

In kurz: Mehr ist nicht immer besser.

 

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